Henning Christiansen
1967-11-00
Ophavsmand/nøgleperson
Henning Christiansen
Dokumentindhold
"Eurasienstab", Galerie nächst St. Stefan, Wien, d. 2. juli 1967.
Transskription
1.
EURASIENSTAB/fluxorum organum
Joseph Beuys wurde 1961 Professor an der Düsseldorfer Kunstakademi. Seitdem hat er ständig als unberechenbare, ansporende Kraft gewirkt. 1962 veranstaltete er in der Akademie des von George Maciunas geleitete Fluxus-Festival. Hiermit führte Beuys eine Reihe von eigenen Demonstrationen ein, wie er seine happening-geprägten Vorführungen nennt. Jede einzelne Demonstration beinhaltet eine Demonstration geistigen und physischen Vermögens des (h).
In den letzten 3 Demonstrationen,_ MANRESA, HAUPTSTROM und EURASIENSTAB_ - hat Beuys in einem
ständig stärkeren musikalischen Zusammenhang gearbeitet. Seine starke Zeitvertrauenheit, die von Anfang an charakteristisch für seine Aufführungen (und für viele seiner Plastiken) war, hat vorläufig ihren Höhepunkt im EURASIENSTAB gefunden. MANRESA war eine Aufführung von ungefähr symphonischer Art. HAUPTSTROM eine 10 Stunden lange symphonische Entladung und EURASIENSTAB/fluxorum organum steht endlich als eine klare symphonische Verbindung von Auditivem und Visuellem.
(die herostratische Oper?).
EURASIENSTAB/fluxorum organum wurde am 2. Juli in Wien, Galerie Nächst St. Stefan, uraufgeführt. Die Musik ist von Henning Christiansen. Joseph Beuys’ Demonstration kann hier am besten definiert werden als ein skulpturelles Lebendigmachen in Bezug auf prägnante Symbolfunktion. Wobei dieser Prozess als skulpturelle Ausdrucksfülle im Detail zu verstehen ist. Ein Prozess, der des Objektes einfache Funktion zeigt sowie des Menschen physische Möglichkeit, einen geistigen Inhalt durch seine Handlungen zu überführen. Die Musik klingt als Nahsein in Bewegung, Symbol und Zeit, die Elemente der Vorstellung integrierend.
Als eine logische Folge des EURASlENSTAB-Gedankens, hat Prof. Beuys am 17. November 1967 gesetzlich in West-Deutschland die Deutsche Studentenpartei statuiert. Hier soll künstlerischer Einfluss auf die Entwicklung der Gemeinschaft als Alternative zu der heutzutage umsieingreifenden politischen Unmenschlichwerdung der Gesellschaft einsetzen.
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NOTIZZETTEL Joseph Beuys
Die biographischen Dinge hätte ich nicht so gerne in der konventionellen Form behandelt, wie man sie überall in Katalogen und Zeitungen liest, ( siehe Rheinische Post ) -> schon klein Hänschen usw.
Vielleicht lässt sich so etwas persönlicher, freier oder in grösseren Zügen darstellen. Die wirklich wichtigen Punkte gehen meist unter in Gymnasiums- und Studiendaten. Auch möchte ich mich, wenn schon, ebensowohl Enseling als Materé-Schüler nennen.
Ausstellungsdaten sind meines Erachtens völlig unwichtig. Wichtiger schon, herauszustellen, dass ich wenig davon halte, es sei denn, die Sache wäre organisch und unter bindenden Voraussetzungen gewachsen, -> Ausstellung van der Grinten. Was geht mich Eisen und Stahl an! Man könnte auf Schmela hinweisen als wichtige persönliche Neuerwerbung.
Geburtsdatum 12.5.1921
Geburtsort Kleve (ich gebe immer Kleve an, weil die Geburt in Krefeld rein zufällig war.)
Vater aus Geldern. Holländischer Stamm.
Mutter aus der Weseler Gegend.
Abitur 1940
Soldat 1941
Beginn der Stukazeit 1941 (Hier ist der allgemeine Ausdruck Sturzkampfflieg er angebracht, da ich alle Sparten der Waffengattung durchgemacht habe; Funker ist falsch.)
In die Anfangszeit 1941 fällt Freundschaft mit Sielmann.
Studium im Krieg: Naturwissenschaften, Geistenwissenschaften. (Der Entschluss, Bildhauer zu werden, stand in den letzten Schuljahren fest. 1938 erste Begegnung mit Photos von plastiken Lehmbrucks, Erlebnis!)
Entlassung Frühjahr 1946.
Vorbereitung auf das Studium (Brüx)
Freundschaft mit Hanns Lamers.
Enseling Sommer 1947-1949
Freundschaft mit Dichter Rainer Lynen
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Mataré 1949 - 1951/52
1952 - 1954 Atelier Akademie
1954 - 1957 Atelier Heerdt
Orte, die im Krieg berührt wurden:
WesentlicheEindrücke: Die slawischen Länder
Polen
Tschechoslowakei (Prag)
(Möhren)
Russland
(Südrussland)
WesentlicheEindrücke: das Schwarze Meer
das Asowsche Meer
das Faule Meer
Die russische Steppe (Kuban) - Lebensraum der Tataren
Tataren wollten mich in ihre Familie aufnehmen.
Die Nogaische Steppe
Die Krim.
Orte: Perekop, Kertsch, Feodossia, Simferopol, Backtschisaraj
Jailogebirge
Das Kolchis der Griechen!
(goldenes Vlies)
Odessa, Sewastopol.
Rumänien (Donaudelta) - Ungarn (Steppe)
Kroatien (Save)
Wien (Hunnen und Türken vor Wien!)
Süditalien: Apulien.
Westlicher Kriegsschauplatz: als Fallschirmjäger in Nordholland-Oldenburg bis zur Nordseeküste.
IM ZUG, DÜSSELDORF - WIEN.
Haben gerade Regensburg passiert. Die Landschaft ist flach. Am horisont ahnt man im Dies die Berge. Beuys und ich haben auf der Bank im Coupé von ± 01 - 09 Uhr geschlafen. Er schläft noch, aber mich drängt’s zum Kaffee. Er liegt mit dem einen Bein krumm und den anderen ausgestreckt. Die Arme hat er über der Brust gekreuzt. Er liegt auf dem Rücken mit dem Kopf zur Seite.
Zwiebelkuppeln in Bayern. Alle haben verschiedene Proportionen. Bauen die Katholiken eine Zwiebel, bauen die Protestan-
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Zwiebelkuppeln in Bayern. Alle haben verschiedene Proportionen. Bauen die Katholiken eine Zwiebel, bauen die Protestanten eine Spitze.
Der Eurasienstab reist in der Zugspitze als Artistengepäck.
_Linz (Mozarts Linzer). _
Beuys ist seit 1961 Professor. Vorher wohnte er in Kleve und lebte vom Verkauf seiner Arbeiten, er hat stetig, stur und regelmässig etwas verkauft....
Benediktinerabtei. (Riesengrosse Bibliothek).
Beuys ist nach Zeitungsreden: Gefährlich und lächerlich. (Beide Worte auf einmal).
Freitag der 30. Juni 1967. Der Raum ist jetzt aufgebaut.
EURASIENSTAB - 82 Minuten.
D ie entfernteste Ecke des Raumes wird mit einem Margarinedreieck außgefüllt. Die Filzeckbretter aufgestellt. Eine Filzecke nach der anderen gegen die Decke gestemmt. Alle 4. Die Innenseite der Winkelbretter stehen gegeneinander. Der Abstand zwischen den Brettern ist ca. 3 m. Sie stehen schief. Der Raum ist da. Der Raum im Raum. Aktivraum.
Der gekrümmte Kupferstab, EURASIENSTAB, entblösst. Das Segeltuch wird auseinandergeschlagen. Die Lederriemen gelöst.
EURASIENTSTAB: 3.64 m lang und 2,5 cm Durchmesser. Gewicht 50 kg.
Der massive Kupfersbab fordert Kraft. Beuys umfasst EURASIENSTAB mit beiden Händen. Hebt mit beiden Armen, Findet den Balancepunkt. Stemmt sich entgegen. Bekommt langsam - langsam EURASIENSTAB hoch. Langsam in Ruhe gebracht. Dieser ruht gegen eine Filzfrontecke. Eingekeilt von Decke und Filz. Zeichnet eine kupferleuchtende Linie vom Boden bis zur Filzexke. Krümmt zurück. Diese Kraftanstrengung bringt die leuchtende Kupferlinie zurück zur Erde. Hinaus in den Raum und zurück - wie ein Bumerang.
Beuys stellt sich ausserhalb des Aktivraumes. Lässt die Hand schnell wichend 1 cm hoch über die Filzfläche streichen. Schnell hin und her über den Filz der Eckbretter. Hin und her. Pflanzt seine Energie zum Filz fort. Die Idee ist 1 cm. Des Ge-
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dankens Zwang 1 cm. Das Resultat: Abstand 1 cm. Das Diktat der Hand, hin und her. Hiervon und dazu. Davon und hierzu. Das Schwirren der Hand wird vom Betrachter reflektiert. Die Farbe der Hand. Ihr Schein. Auf und nieder. Berührt sie den Filz? 1 cm ist der Abstand. Das Auge überführt die Idee zum Zentrum. Kreuzpunkt. Hirn. Geist. Eine Identifikation entsteht. Jeder Betrachter weiss - kann sich vorstellen - was passiert. Die Hand auf und ab. 1 cm. Wie einfach soll eine Bewegung sein, um zu raumen, rammen. Einfach.
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
Auf den Boden, mit Kreide geschrieben:
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
Beuys sagt laut:
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
Er bewegt den Eisenfuss. Der Isolator bewegt den Eisenfuss. Klang und Schleifen von schwerem Eisen. Er bewegt sich mit der Eisenfusssohle, die an die rechte Lederfusssohle gebunden ist. Bewegt sich gegen die auf die Wand festgeleimte Filzsohle zu. Mit dem Rücken gegen die Wand sieht er auf die Orgelmusik. Krümmt das rechte Bein. Stützt den Eisenfuss gegen die Filzsohle. Die Filzsohle ist der Ruhenunkt.
Aus die Mutter Schoss ziehst Du Deine Kraft. Von Hier breitet der menschliche Geist aus übeallhin. Landschaft, Vision und Mensch werden eins. Lange zu gehen. Länger noch. Längeres sehnen. Nur Zeit, die Zeit deckt alle Längen.
_Diee Grenzen für den Aktivraum werden geändert. Die vinkelfilzbretter im Raum verschoben. Zwischen Boden und Decke gepresst. _EURASIENSTAB bewegt sich in waagerechte Stellung. Wartet. Wird langsam - langsam gegen den Hinterfilzwinkel geführt. Grad für Grad bewegt sich EURASIENSTAB in den 4 Positionen - Himmelsrichtungen. Sendet seine krumme Widderkraft auf Hirschfuss gegen alle Weltecken.
EURASIENSTAB wird gegen die Erde gesleudert. (!)
Gewicht..............Gewicht, das man begreift.
Liegt um die Achse des Aktivraumes (Achse - Alliancen) = (Mensch - Geist).
Der Ruhepunkt - die Eisensohle - Klang, Schleifen - die Filzsohle - der Rücken gegen - sieht die Musik.
EURASIENSTAB kreuzt kupferleuchtend seine Segeltuchhülle.
Der Filzeckaktivraum wird abgebrochen. Schräg gegen die Wand wird ein allesaufsaugender Filzwinkel gebildet. Der Filz erober
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den Raum. Sieht den Betrachter. Steht als ein ewig hervorbrechender Koda.
EINE AUFKLÄRUNG
Bildkopf
Bewegkopf Der Mensch
Der bewegte Isolator
(Vielleicht ist der Mensch ein isolierter Wasserbehälter, gespeist von den Weltmeeren.)
FLUXORUM ORGANUM - 82 Minuten
Ein Stück Orgelmusik. Aufgenommen auf Tonband. Liebfrauenkirche. Bandgeschwindigkeit 9 cm. 1/2 Spur. Resultat: Grosse Schwingungen im Orgelklang. Die Orgel aus ihrer Umgebung - Kirche - gelöst, um für eine Mitteilungsform fern von Priesterschaft einzugehen. Galerie Nächst St. Stefan, Forum für eine Botschaft ohne Worte. Die Handlung, die objektive Bewegung, der Mensch und seine transzendenten Möglichkeiten. Orgelmusik die ihren eigenen Zeitverlauf schafft. Integriert die Handlung und wird von der Handlung integriert. Gibt und empfängt - empfängt und gibt.
Fluxorum Organum, 5 afsnit:
I Langsam und zeitbewust........... 22 Min.
II Langsam und zeitbewust........... 17 Min.
III Langsam und zeitbewust............ 16 Min.
IV Langsam und zeitbewust........... 12 Min.
V zeitbewust........................15 Min.
I Bewegt sich addierend durch ihren Zeitraum.
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
II Kommt aus der Innerseite des Kopfes. Bleibt fliessend und vegetierend im Kopf. (Rythmische Augmentation und Diminution.)
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
III Geometrische Bewegungen aus der Waagerechten zu Senkrechten. (Melodie zu Klang.)
Hebt sich durch den Zeitraum - streift durch den Zeitraum hinunter. Zitat: Erik Satie: Messe des Pauvres/Prière pour les voyageurs et les marins en danger de mort, a la très auguste Vierge Marie, mere de Jésus.
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Geometrische Bewegungen aus der Waagerechten zur Senkrecht (Melodie zu Klang.)
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
IV Kommt dieses Mal von der Aussenseite des Kopfes. Fliesst vegetierend am Kopf vorbei. (Rythmische Augmentation und Diminution.)
Bildkopf - Bewegkopf - Der bewegte Isolator.
V Abwechselnd: Klangsäule/Melodik. ( Zitat aus diesen Artikel: Als ein ewig hervorbrechender Koda.)
EURASIENSTAB — new cross
Der EURASIENSTAB ist eigentlich ein Zeichen, geschaffen, um Beuys’ Kraftfeldideen auszudrücken. Kraftfelder, die von allem Lebenden Ausstrahlen und in denen der Mensch mit seinen speziellen “Sendermöglichkeiten” im Zentrum steht. Das Kreuz ist für Beuys wie für uns ein Zeichen, das mit seinem Linienschnittpunkt wohl das stärkste Symbol ist, der Mensch bis heute geschaffen hat.
In MANRESA und Sibirischen Symphonie 34. Satz halbiert Beuys das Kreuz und die fehlende Hälfte hat für die vielen unerforschten Möglichkeiten zu stehen. Die Teilung macht das Kreuz zu einem Aktivkreuz - einer Aufforderung.
Mit new cross, das der EURASIENSTAB mitbildet, hat Beuys ein Zeichen formuliert in dem alle Verantwortung für die Entwicklung dem Menschen auferlegt wird. D.h. dass nur die Kraft zählt, mit der wir unseren Willen und Veranlagung zu günstigem Denken und günstiger Verwirklichung ausschleudern.
So wie EURASIENSTAB auf der skizierten Europakarte eingezeichnet ist, steht new cross als ein Zeichen, das alle guten Kräfte in Europa anruft, in Einigkeit den Menschen als Ausgangspunkt für jede Bestrebung zu sehen. Und mit diesem Ausgangspunkt ein Europa zu schaffen, wo Nord, Süd, Ost und West an einer positiven und vernünftigen Lösung aller Gemeinschaftsprobleme mitwirken.
Fakta
PDFTysk
Teksten er en tysk oversættelse af artiklen "Eurasienstab/fluxorum organum", som udkom i Billedkunst, 3. årgang, no. 1, 1968 (s. 33-38).
HC arkiv Møn/HC breve 10