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Henning Christiansen

1966-12-15

Ophavsmand/nøgleperson

Henning Christiansen

Dokumentindhold

Artikel "Joseph Beuys - und sein Energiplan" (1966)/Artikel "Manresa" (1967)/Artikel "Die Zeit (Braunram-Gegenraum)" (1991)/Artikel "Die Wirklichkeit mal 3" (1968)

Transskription

1

MANRESA
Düsseldorf 15. Dec. 1966
Gedanken und Facts

Von Henning Christiansen

[s. 2]

2

Joseph Beuys - und sein Energiplan

“unser Leben zwischen Geburt und Tod ruft auf zur Erforschung von Gegenraum-Wärme-Zeit — unsterblicher Wesenskern des Menschen, Leben nach dem Tod. Von der Einsicht in diesen Zusammenhang (Antikunst) hängt es ab, ob wir zuverlässige Kontrollmöglichkeiten und Massstäbe bekommen über das, was wir in Raum und Zeit machen.”

Opus 16: Ursache suchen!
Zitat und Opus 16 nehmen eine Zentralstellung für das Verständnis von Beuys’ Tätigkeit ein. Übrigens gibt er sich Mühe, philosophische Begriffe zu umgehen. Das Was, nicht das Wie ist entscheindend. Er meint, dass nur eine Antihaltung, ein Antigedankengang von Bedeutung ist. Für ihn ist der Mensch Antinatur. Und deshalb hat gerade der Mensch die Möglichkeit, über die bloss sinnliche Wahrnehmung hinaus zur eichen d.h. durchzubrechen zu dem, was er ”GEGENRAUM” nennt – den Zustand, in dem man begreift ohne zu verstehen. Die “ENERGIE” ist seiner Auffassung nach das Kostbarste von allem und deshalb ist das neue Princip, alles zu infiltrieren. Physik -> Antiphysik, Chemi -> Antichemi, Musik -> Antimusik, Mathematik -> Antimatik usw, um sich über den Raum, des Verstandes zu erheben.
Beuys jagt ständig nach “der Stelle” auf, in oder neben dem menschlichen Körper, wo dieser "Supergenerator"., der ”Zeit – Überzeit” , “Raum – Gegenraum” hervorbringt.
“Irgendwo muss er doch sein......?”

[s. 3]

3

Das könnte nach einem Triumph des Absurden aussehen, aber Beuys geht weiter indem er sich über den Physiker lustig macht: _“Wirklich ist für den Physiker nur das, was gemessen werden kann!”. Hirschführergebrüll von rechts : “Wie lange wollen Sie noch beim ersten Schritt bleiben?” _Und als Bildhauer stellt er eine Wirklichkeit auf, die der Mensch durch seine Antinatur erfassen kann.
Währen der Mai-Ausstellung 1964 auf Charlottenburg (Kopenhagen) zeigte Beuys, wie ein Spazierstock durch Transformation zu "GEGENRAUM" ein Erlebnis wurde. Er verlängerte mit einem geformten Margarineklatsch den Handgriff des Stockes um ca. 30 cm. Ein Raum auf Charlottenburg wurde ebenso total dadurch verändert, dass Beuys eine Ecke des Saales mit gelber Margarine außfüllte. Diese Handlung sprengte förmlich den Raum. Später hat er die entgegengesetzte Operation vorgenommen, als er eine vorstehende mit dickem grauen Filz ausbaute und so die Ecke gleichsam stoppte. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem “positiven” und “negativen” Prozess.
Beuys trägt immer eine Anglerweste und einen Filzhut. Nicht aus exhibitioniotischer Neigung, sondern um ständig, wo er geht und steht, Objekt für Antinatur, Supergenerator, Gegenraum zu sein.
Auf eine Frage, wie er zu dem Begriff “Verfremdung” stehe, antwortete er, dass ihn dieser überhaupt nicht interessiere, er sei zu schwerfällig und beruhe auf einem Missverständnis des Lebens.
Einige haben die Auffassung dass Beuys ein Mystiker ist, ein Künstler der im Metaphysischen Raum arbeitet, aber letztlich dreht es sich für ihn darum, Klarheit zu schaffen über die Phänomene “Antinatur” – “Energie” – “Gegenraum” – “Wärme” – “Zeit”. Es handelt sich nicht um Illusionen. Seine Philosophie ist zwar Pseudophilosophie. Aber sie ist qualifiziert.
Beuys Verhältnis zur Zeit drückt sich in seinen meist langen Aktionen aus. Auf der Mai-Ausstellung 64 [in Kopenhagen] lag er 6 Stunden lang im Ausstellungsraum, sorgfältig eingerollt in eine graue Filzdecke. Ebenso sorgfältig hatte er zwei tote Hasen in der Verlängerungsbahn seines Körpers placiert. Einen in der Verlängerung des Kopfes unu einen in der Verlängerung der Beine. Bei sich, hinter der Filzdecke, hatte er ein Mikrophon. Und

[s. 4]

4

aus einem Lautsprecher konnte man regelmässig Kehllaute (gutturale Laute) von ihm hören. Auf der Wand hing ein kleines Bild mit etwas Taschenwolleähnlichem darauf. Diese ganze graue Skulptur (Beuys hat eine Vorliebe für Grau, Mennig und Gelb) war ein Ausdruck für Beuys’ Auffassung von Leben und Tod. Was
sie trennt ist “Wärme”, Körperwärme, die nur er ausstrahlte.
Beuys braucht sehr oft während seinen Demonstrationen, seinen Körper als Skulptur. Er tritt phantastisch konzentriert und mit enormer Körperbeherschung auf. In dem Buch ”24 Stunden” (Verlag: Hansen & Hansen, Itzehoe) kann man mit wenig Phantasie die Präzision beobachten, mit der Beuys mit seine Füsse zwei Margarineklötze bearbeitete. Er veränderte jede 10 Sekunden die Position seiner Beine in Bezug auf die Klötze - ohne sie zu berühren. Das ist eine Idee die grosse Beherschung und Konzentration fordert, wenn es glücken soll, dieses Erlebnis fortzupflanzen.
Im Augenblick rast ein starker Streit um Professor Beuys’ Lehrstuhl an der Düsseldorfer Kunstakademie. Einflussreiche Kräfte um die Akademie und in der politischen Welt versuchen ihn zu entfernen. Der Anlass ist seine Aussage zur Presse in Aachen in Verbindung mit dem grossen simultanen Happening, das die Technische Hochschule dort am 20. Juli 1964, dem 20. Jahrestag des Attentates auf Hitler, veranstaltet hatte. Er sagte in einem Nebensatz, dass die Berliner-Mauer 5 cm höher sein sollte. So wäre sie besser proportioniert. Mit dieser Bemerkung trat er der deutschen Öffentlichkeit empfindlich auf den dicken Zeh und löste bei dem jungen Deutschland Begeisterung aus.

[s. 5]

5

Galerie Schmela, Düsseldorf, 15. December 1966

Joseph Beuys,
Henning Christiansen
og Bjørn Nørgaard

MANRESA
(Hommage à Schmela)

wurde am 15. Dezember 1966 in der Galerie Schmela, Düsseldorf Stadtmitte, als letzte Liebeshandlung aufgeführt, bevor die alte Galerie schloss. [um im Laufe einiges Jahres in neuer modul-geprägter Gestalt wiedereröffnet zu werden.]
Es war Winter. Frostgrade standen dick in der Luft. Mit gefrorenen Nasen schaute das Publikum durch die Schaufensterscheibe auf den Verlauf.
Der elektrische Wärmeapparat hatte mehrmals die Sicherungen rausspringen lassen und war aufgegeben worden.
Der andere Teil des Publikums stand innen eng gedrängt längs der einen Seite des Geschäfts, und Bjørn Nørgaard, Joseph Beuys und Henning Christiansen bearbeiteten den Raum in einer musikalisch ablaufenden Demonstration, der ersten ihrer Art.

Es war 20.00 als die Bandstimme verkündete:
Hier spricht Fluxus / / Fluxus
(J.B.): Hier spricht Fluxus / / Fluxus


Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?
Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?


[s. 6]

6.

Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?
Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen ?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?


n ist der Schnittpunkt dreier Strahllinien
eins Plastik
zwei potientielle Arithmetik
oder auch eins und zwei integriert
und Element 3

n ist der Schnittpunkt dreier Strahllinien
eins Plastik
zwei potentielle Arithmetik
oder auch eins und zwei integriert
und Element 3


Fettecke / Fettecke
Filterfettecke
Filzecke


BRAUNRÄUME


Guten Tag, wo gehen Sie hin ?
Thorvaldsen-Museum

Guten Tag, wo gehen Sie hin ?
Thorvaldsen-Museum


Nun ?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?


[s. 7]

7.

n ist der Schnittpunkt dreier Strahllinien
eins Plastik
zwei potentielle Arithmetik
oder auch eins und zwei integriert
und Element 3


Fettecke / Fettecke
Filterfettecke
Filzecke


BRAUNRÄUME


Guten Tag, wo gehen Sie hin?
Thorvaldsen-Museum

Guten Tag, wo gehen Sie hin ?
Thorvaldsen-Museum


Hier spricht Fluxus/ / Fluxus


Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?
Nun?
ist Element 2 zu Element 1 heraufgestiegen?
Nun?
ist Element 1 zu Element 2 heruntergestiegen?


n ist der Schnittpunkt dreier Strahllinien
eins Plastik
zwei potentielle Arithmetik
oder auch eins und zwei integriert
und Element 3


[s. 8]

8

Fettecke / Fettecke
Filterfettecke
Filzecke


BRAUNRÄUME


Guten Tag, wo gehen Sie hin ?
Thorvaldsen-Museum


Hier spricht Fluxus / / Fluxus


Guten Tag, wo gehen Sie hin ?
Thorvaldsen-Museum


Auch zu Dir fliege ich MANRESA

(n ist der Schnittpunkt dreier Strahllinien, soll nicht
als Unendlichkeit, sondern als möglichkeit aufgefast
werden.
Eins ist Plastik (Skulptur) - Zwei potentielle (po-
tenz) Arithmetik oder beides.


Die Verwandlung von Fettecke zu Filzecke, geschieht
über Filterfettecke// Filzecke führt direkt zu Braun-
räume
. Ein möglicher Braunraum ist Thorvaldsen-Museum
und von hier: M A N R E S A)

Der Raum ist sohwarzgemalt.
Im Hintergrund das halbierte Filzkreuz (grau).
Superstruktur: 5 min. Licht - 2 min. Licht aus.

[s. 9]

9

(H.C.):
ikke kann
ikke ikke kann
ikke ikke ikke kann
ikke ikke ikke ikke kann
ikke ikke ikke ikke ikke
ikke ikke ikke ikke ikke ikke
kann kann kann kann kann kann
kann kann kann kann kann
kann kann kann kann ikke
kann kann kann ikke
kann kann ikke
kann ikke

(J.B.):
Speer an das Kreuz gelehnt.
Terrakotter-Mann auf einem Teller gekreuzigt, wird
zu dem Punkt geführt.
Auf dem Rücken Filzsohle.
26 Luftpumpen mit Fett auf das Luftventil gedrückt,
welches aufgesogen und gegen die Wand geschleudert
wird - bleibt hängen - - gleitet langsam zum Boden.
Vogel auf der Stange fächert mit den Flügeln.
Filzblok wird gegen den Kreuzpunkt geführt. (Stete
Wiederholung.)
Wo ist Element drei?
Knistern - laut, licht - aus dem Induktionsapparat ge-
zogen.
Hasenohren.

(B.N.):
Eine willkürliche Anzahl von willkürlich gewähltem
Material wird bearbeitet und in Verhältnis zu den
eigenen Beinen gebracht.


Ein 15 cm. hohe Holzrahman wird mit elektrischen
Birnen gefüllt. Der Rahmen wird mit einem blauen
Tuch zugedeckt, die Glühbirnen mit den Füssen zer-
treten.

[s. 10]

10

(H.C.):
Herfra  og  dertil
Derfra  og  hertil
Kaffee  Tasse

↑Hand
Klang  Teelöffel
↓hand

(B.N.):
Über den Holzrahmen wird ein Stahldrahtnetz gespannt.
Mit schwankenden und hüpfenden Bewegengen wird das Netz
zerstört.

(J.B.):
Elektrifiziert den vergoldeten Hasen - er leuchtet.
Sieh auf die Innerreien des Hasen.
Reibt die Geislerröhre - kurz, lang.
Wo ist Element drei?
Kinderambulancemilitär
fährtmitseinemkreuzbeschwerumher
Wo ist Element drei?

(B.N.):
Ein mit blauen Stoff überzogener kubusförmiger Tonklotz,
(30 x 30 x 3 cm,) wird langsam zu einer kissenförmigen
Masse breitgestampft.

(H.C.):
ikke ikke ikke ikke ikke ikke ikkeikkeikke ikke
ikke ikke ikke ikke ikke ikke
ikke ikke ikkeikkeikke ikke ikke

(J.B.):
Eine Patentflasche mit Milch
Eine Patentflasche von Blei.

(B.N.):
Ein grosser Klumpen brauner Seife wird auf einer harten
Masonitplatte zerdrückt.

[s. 11]

11

(H.C.):
kann kann kann kann kann kann kann kann
kann kann kann

kann kannkann kann kann kann kann kann
kann kann

(B.N.):
Steht in einem Pappkasten. Füllt diesen langsam mit
Mehl. Bewegt unaufhörlich Füsse und Beine.

(H.C.):
........og hans energiplan..........Joseph Beuys.......
..Joseph Beuys er professor ved Düssel...........citat
er centralt.......GEGENRAUM............varmekagen er
anbragt midt på scenen og losser sit indhold...........
..Beuys forsøgt at indkredse.....viste Beuys.........
en almindelig spadserestok.......forlængede med........
Beuys ligeledes med den gule......Beuys går klædt i...
at Beuys er mystiker...........antinatur..........skiller
er kropsvarmen....Beuys med sine fødder....professor
Beuys’s lærestol....Berlinmuren 5 cm......kaputhauen

Aufgezählt für deutsche Hörer.

(J.B.):
Zwei Eisenklötze mit Gaze verbunden.
Wo ist Element drei?

(B.N.):
Viel braune Seife wird in einem Behälter mit Wasser
aufgelöst. Platschen mit den Beinen.

(J.B.):

Das halbierte Kreuz steht an die Wand gelehnt. Die an-
dere Hälfte wird mit Kreide angedeutet und n zugefügt.

[s. 12]

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(H.C.):

Climb up an die Wand geschrieben.

(B.N.):
Jeder Fuse eingegossen in seinen Gipsklotz.

DAS TONBAND WIEDERHOLT SOLDATENGRÜSSE AUS DEM
DÄNISCHEN RADIO
vom Typ: 789 Jensen sendet einen
Gruss an Karen auf Samsö.

(H.C.):
kann ikke
kann kann ikke
kann kann kann ikke
kann kann kann kann ikke
kann kann kann kann kann
kann kann kann kann kann kann
ikke ikke ikke ikke ikke ikke
ikke ikke ikke ikke ikke
ikke ikke ikke ikke kann
ikke ikke ikke kann
ikke ikke kann
ikke kann

(J.B.):
Induktionsapparat vom Knistern gezogen. Die Hände
zischen und ertrinken in

(H.C.):
Kräftige Säulenklänge aus den Lautsprechern........
ON THE LINE (perceptive constructions)

[s. 13]

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(Braunraum-Gegenraum)

DIE ZEIT

DIE ZEIT STAND STILL" - KANN MAN SCHREIBEN - KANN MAN SAGEN. ABER DAS KANN SIE NICHT. DIE ZEIT STEHT NIEMALS STILL, SIE GLEITET WIE EIN RUHIGER STROM IN DAS SCHWEIGEN. SIE KÜMMERT SICH NICHT DARUM WAS WIR GETAN ODER NICHT GETAN HABEN. SIE IST UNERBITTLICH UND ERZÄHLT EIGENTLICH NUR, DASS: NICHTS IST EWIG, NICHT EINMAL DIE ERDE AUF DER DU STEHST, ODER DER STEIN, DEN DU IN DER HAND HÄLST. NENNE DIE ZEIT UNERSCHÜTTERLICH, AUCH DAS IST SIE NICHT, SIE GEHT UND GEHT EINFACH ZUSAMMEN MIT DIR, SOLANGE DU MITFOLGEN KANNST. DU KANNST SIE NICHT HÖREN, ABER DU KANNST SIE MESSEN UND SIE IN HANDLUNG UMSETZEN, ABER DAS IST MENSCHENWERK, DAS KÜMMERT DIE ZEIT NICHT. DU MUSST SIE ZUM KLINGEN BRINGEN, NUR WIR KÖNNEN SIE SICHTBAR MACHEN - FÜR EINE ZEIT. - WEITER, - WEITER, - DESHALB KANN MAN BEHAUPTEN, DASS DIE ZEIT DER WICHTIGSTE GRUNDSTOF DER MUSIK - DES FILMS - ALLER “FLÜCHTENDEN” KUNSTARTEN IST - DIE FLÜCHTIGEN KUNSTARTEN LEBEN VON IHR, SIE FRESSEN GERADEZU DIE ZEIT. OBWOHL DU DIE MUSIK IN DEINEM EIGENEN KOPF HÖREN KANNST, KANNST DU SIE HÖCHSTENS KOMPRIMIEREN. SELBST WENN DU LIEST FRISST DICH DIE ZEIT, ABER SIE FÜLLT DICH AUCH MIT ETWAS ANDEREM, DAS DU IHR DANN WIEDER AN DEN KOPF WERFEN KANNST, WENN SIE DIR ERLAUBT HAT DAS GELESENE ZU VERDAUEN. DU BIST EIN “OPFER DES ZAHN DER ZEIT” UND “MAN MUSS DEN ZEITPUNKT SEINES BESUCHES KENNEN”, DAS GILT IN DER POLITIK, DAS GILT IM KRIEG, DAS GILT IM ALLTAG. “ZEIT IST GELD”, PFLEGT MAN ZU SAGEN, UND VERSUCHT ES ZU KONKRETISIEREN, ABER DAS KÜMMERT DIE ZEIT NICHT. LASS DIE ZEIT VERGEHEN, DAS TUT SIE JA SOWIESO, KÖNNTE MAN VORSCHLÄGEN, ABER DAS GEHT AUCH NICHT, DENN DIE ZEIT FORDERT, SIE VERBRAUCHT ENERGIE. ES KÖNNTE FAST SO AUSSEHEN ALS OB SIE DICH BRAUCHTE, ABER DAS TUT SIE NICHT. DIE ZEIT IST FÜR DIE MENSCHEN UNUMGÄNGLICH, UNWIEDERSTEHLICH. ANSCHEINEND IST AUCH DIE ERDE VON DER ZEIT BEEINFLUSST, ANSCHEINEND NUR, DENN VOM GESICHTSPUNKT DER ZEIT AUS GESEHEN, IST SIE ES WOHL DOCH NICHT. DIE ERDE DREHT SICH AUF BEFEHL DER ZEIT. DIE WELT DER MENSCHEN DREHT SICH - DAS WELTBILD DER MENSCHEN DREHT SICH - UND WIR NENNEN ES ENTWICKLUNG. IST ES WOHL AUCH, ABER VON DER ZEITPERSPEKTIVE AUS GESEHEN, IST ES ES NICHT, AUCH. WÄHREND DIE ZEIT DIE WELT DREHT, STEHEN WIR MENSCHEN STAUNEND STILL, EGAL WIE SCHNELL WIR LAUFEN ODER WIEVIEL WIR SCHIESSEN. DIE ZEIT IST SO IN JEDEM INDIVID EINGEBAUT, DAS ES ZWAR AN IHR TEIL HAT, ABER OHNE EINFLUSS AUF IHREN VERLAUF IST. - WHAT TIME IS IT - IS IT WHAT TIME - TIME IS IT WHAT ? - DIE ZEIT DREHT NICHT, SIE STEHT STILL UND BEWEGT SICH. SIE WÄCHST NICHT. SIE IST UNSICHTBAR. ABER SIE BRAUCHT ENERGIE AUS DEM ALL. WIE DIESE WELT SICH DREHT, DREHEN WIR. DIE ZEIT LEBT VON DER ENERGIE DES GANZEN UND WIR WERDEN GEZWUNGEN DIE NOTWENDIGE ENERGIE FÜR DIE ZEIT ZU BESCHAFFEN. DER KRIEG IST DER SCHLIMMSTE FEIND DER ZEIT, ER VERBRAUCHT VIEL ZU VIEL ENERGIE UND ES BLEIBT ZU WENIG ÜBRIG UM ZU DENKEN, NACHDEM DIE ZEIT IHREN ANTEIL BEKOMMEN HAT. DER MCNSCH STEHT ABGESTUMPFT ZURÜCK, VERLASSEN. ABER DIE ZEIT KÜMMERT SICH UM NICHTS, SIE GEHT WEITER - WEITER - WEITER - SIE STEHT SOLID UND RUHIG UND BEWEGT SICH, ALS SEI NICHTS.
SO WIE SICH DIESE WELT DREHT, DREHEN WIR. ABER DER ZEIT IST ES EGAL, UNERBITTLICH EGAL.

Henning Christiansen jan. 91

[s. 14]

14

Titel:

Henning Christiansen 1968

“Die Wirklichkeit mal 3”


4 Episteln
über Joseph Beuys’
Arbeitsmethoden


5 Seiten

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15

Auch eine falsche Interpretation (I), die aber doch nicht unrichtig und vor allem auch nicht unwichtig ist.

Bei Beuys geht es um Wirklichkeit und Poesie. Die Wirklichkeit reicht bis zur ungeschminkten Härte, die Poesie reicht bis zum zarten Hauch. Die eine lässt sich beweisen, so dass niemand im Zweifel ist, die andere erfordert Denken und Einsicht.
Beuys spricht gerne von "GEGENRAUM" und "GEGENZEIT". Mathematik stellt er der Antimathematik gegenüber, die Chemie der Antichemie, die Physik der Antiphysik und um es auf einen Nenner zu bringen, die Natur der Gegennatur. Er meint mit diesem GEGEN und ANTI eigentlich den Menschen selbst. Es ist der
ANTIbegriff und das GEGENÜBERSTEHENDE, die den Raum zum Erlebnisraum machen.Die Zeit als erlebte Zeit: Materie als Psyche. In jeder Poesie findet dieses Gegenüberstehende zur Wirklichkeit statt, wenn wir die gedachte Wirklichkeit als die eine Seite der Medaille und die Wirklichkeit als das Materielle, als die andere Seite der Medaille, [als dieandere Seite der Medaille] verstehen wollen. Die Poesie ist eigentlich die äusserste und intensivste Möglichkeit, um das geschehen zu lassen. Die Poesie wird zu einem Punkt getrieben, wo Raum und Gegenraum, um in Beuys’ Begriffswelt zu bleiben - Zeit und Gegenzeit identisch erscheinen und sie provozieren (erzwingen) die Frage, die absolut nicht überflüssig ist, wo die wirkliche Welt im Grund ist.
Beuys’ Poesie hat diese schmale Grenze zwischen den Welten der Poesie und der materiellen Wirklichkeit zum Thema. Diese beiden Seiten der Medaille sind eigentlich sein Thema. Dort findet man auch den Grund, weshalb es so schwer [ist] zu begreifen ist was er will! Er bringt poetische und materielle Mittel zusammen, oder es sieht beim ersten Blick so aus, als fielen sie vollständig zusammen. Im Grunde erreicht er das vorliegende Material durch seine psychische Nichtexistenz und dies erscheint als poetische Existenz.
Hier soll ein bezeichnendes Beispiel angeführt werden: Beuys hat in einer langen Reihe von Werken das Material Schokolade angewandt. Braune Schokolade, die er mit der genau gleichen Farbe ange-

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malt hat. Die Grenze zwischen der gegebenen und der gemalten kann man nur bei ganz genauem Hinsehen erkennen. Das Material und das künstlerische Mittel decken sich in der Praxis vor dem Auge. Zwischen beiden ist doch eine Kluft: Hier die Schokolade zum normalen Verbrauch - die eine Seite der Medaille, dort die Farbe als traditionelles Medium der Kunst. Alle seine frühesten Werke zeigen ähnliche Arbeitsmethoden um beide Wirklichkeiten zu erreichen. Sie zeigen auch den Weg, auf dem man in seinem
kontinuierlichen Schaffen suchen muss.

[s. 17]

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Auch eine falsche Interpretation (II) , die aber doch nicht unrichtig und vor allem auch nicht unwichtig ist.

Beuys wurde als Zeichner und Bildhauer bekannt......später als “Material-Poet” und Aktionskünstler (Happenings-Demonstrationen). In seinen Skulpturen aus Holz, Schiefer, Stein, Bronze, Stahl, oder Eisen, entdeckt man beim Rückblick, dass er, als etwas bezeichnendes, das Material seine Eigenschaften behalten lässt. Der Entwurf richtet sich nach den Gesetzen, denen das Material unterworfen ist. Das ist bemerkenswert, denn die künstlerische Bearbeitung setzt dies in einer bewussten oder unbewussten Haltung voraus. Das was dazu kommt, ist fast unsichtbar und stimmt mit dem Künstlerischen und dem Material Übereins. Das Wort Materialgesetz ist stark belastet und führt eigentlich an eine ganz verkehrte Stelle, im Zusammenhang mit Beuys gesehen, Beuys bearbeitet das Holz nicht wegen seiner zersplitterten Natur, sondern er verwendet für einen zersplitterten Ausdruck, Holz. Genauso, wie er für etwas Gestapeltes, Schiefer braucht, für ein kompaktes Volumen Stein, für etwas Hautähnliches, Bronze, für die glatte Fläche, Stahl. Diese Zusammenhang ist nicht handwerksmässiger Art, sondern hängt mit dem Inhalt des abstrakten Motives zusammen. Bei dem zermarterten Christus am Kreuz (unter Beuys’ frühen Werken finden sich viele geschnitzte Kruzifixe) benutzt er die zersplitterte Substanz des Holzes.
Wie gesagt, all dies Geschriebene ist meine Interpretation, aber ganz verkehrt, glaube ich, ist sie nicht, wie sich die Sache aus der Sicht der ältesten Werke betrachten lässt, und wie sie sich bei Beuys entwickelt hat. Aber das ist nicht alles. Diese Betrachtungen sehen seine Werke aus einigen bestimmten Aspekten, aber, ohne Zweifel, einigen der wichtigsten und durchgehendsten. Selbst wenn er nicht (ganz) Zeichnung und Skulptur hinter sich gelassen hat, ist es heute doch so, dass man ihn vor allem als “Material-Poet” und Aktionskünstler sieht. Das passt gut zu seinen Intentionen, denn genau hier manifestiert sich seine Idee am stärksten mit den Extrempolen für Wirklichkeit zu operieren.
Beuys hat Hunderte von Objekten gemacht. Der Ausdruck Objekt passt ihm nicht, denn der Materialcharakter ist ein wesentliches Glied in dem, was er ausdrücken will. Beuys sieht in der Materialarbeit nicht die Sach- das will sagen, die Objektseite, sondern die Verwandlung, die neue Exsistenzform. Er legt Gewicht auf die Tatsache dass die Medaille gewendet wird, und das die Seite mit der poetischen Wirklichkeit oben liegt.

[s. 18]

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Auch eine falsche Interpretation ( III ), die doch nicht unwesentlich und vor allem nicht unzuverlässig ist.

Den schmalen Steg zwischen Wirklichkeit und Wirklichkeit betritt Beuys mit artistischer Sicherheit und einer eigensinnigen, messerscharfen, Konsequenz. Vor allem haben seine Objekte auch einen Bildcharakter. Das Zugefügte oder die Änderung ist noch verhältnissmässig gross. Als Beispiel soll der “Zugeschneite Reiter” aus Ton aus dem Jahre 1958 erwähnt werden. Die Figur kann begriffen werden, obwohl sie für den Zuschauer nicht direkt sichtbar ist. Die Remineszens einer Figur drängt auf, und versucht uns in den Schaffensprozess einer Skulptur hineinzugeleiten und somit in eine wohlbekannte Disziplin. Wir finden uns dabei gut zurecht. Die Skulptur als Disziplin ist eine existierende poetische Wirklichkeit, eine lang gekannte Möglichkeit die psychische Existenz durch die materielle zu begreifen. Solange es noch möglich ist, Beuys' Bild und Skulpturvorstellungen in das traditionelle Rezeptionsmuster einzubinden, wird es auch möglich sein, Beuys' Werke misszuverstehen.
Beim genannten Beispiel kann man auf jeden Fall leicht verkehrte Schlüsse ziehen. Entweder übersieht man die verhüllende Gaze, was bedeute, dass man nicht weiss, was man damit anfangen soll, oder auch sieht man darin gerade das Wesentliche, dann ist es aber auch nicht mehr weit bis zur gleichen vorhin erwähnten Schokolade, die als Beispiel für die beiden gegeneinanderrückenden Wirklichkeiten diente und die die Grundtendenzen in Beuys' Schaffen wiederspiegelten.
So schnell wie wir hier von dem einen Beispiel zum anderen springen, hat Beuys' Entwicklung nicht stattgefunden. Er musste viel wegdrängen, was als künstlerische Konvention aufgefasst und sich somit auch seinem Denken in den Weg stellen konnte, bevor er das beherschte, was wohl kaum ein anderer deutsche Künstler heute kann, nähmlich DIE AKTION.

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Auch eine falsche Interpretation ( IV ) die aber doch nicht unredlich und gar nicht unwesentlich ist.

DEMONSTRATION - ein Ausdruck, den Beuys für seine eigenen Aktivitäten à la Happening bevorzugt - beinhaltet "Objekte", Bewegungselemente, Zeitelemente und Lautelemente. Sie lassen sich natürlich auch in ein kinetisches Werk einbauen, doch muss der Mensch selbst ausserhalb eines solchen bleiben. Der Mensch, wie in der Einleitung festgestellt, wird von Beuys als der psychische Raum angesehen, als die wesentliche Seite der Medaille, anti, als das Gegenüberstehende.
Deshalb verfolgt Beuys die konsequente Linie, wenn er, um sich der psychischen Wirklichkeit zu bedienen, sich des Menschen bedient, um so mit der denkbar grössten Möglichkeit die unmerkbare Überlappung der beiden Wirklichkeiten zu erreichen, denn im Menschen finden sich beide, dort sind sie ohne weiteres identisch. Die Demonstration ist keine spezifische Theaterdisziplin, die Aufführung von irgendetwas durch den Menschen. Sie ist selbst der Gegenstand, Thema der Poesie, durch den Poeten selbst erzeugt.
Im übrigen ist es klar, wenn man Beuys' letzte Entwicklungsphase betrachtet, dass er auch danach sucht, die Demonstration zu überwinden. Als man ihn nach seiner Parteigründung fragte, was diese denn mit seinem künstlerischen Wirken zu tun haben könne, sagte er, es sei ein Missverständnis, wenn man die Partei nicht als ein Kunstwerk begreife. Sie war als ein Kunstwerk zu verstehen, genauso wie seine Arbeit als Professor an der Akademie oder wie jede andere Aktivität die er entfaltete. (Sehr bewusst hat er z. B. seine eigene Biographie mit genau der gleichen Haltung (auch Kunst) geschrieben).
Hier befinden wir uns an einem Punkt der mit dem weissen Kreuz von Malewitsch verglichen werden kann, das er vor ungefähr 5 Jahrzehnten auf einen weissen Untergrund malte, womit er die Malerei zu ihrer äussersten Möglichkeit führte...
Der Kampf/Krieg zwischen dem Materiellen und den geistigen Vorstellungen des Menschen verbindet Joseph Beuys und Ignacio de Loyola im Willen, den Weg für den friedlichen dynamischen Menschen zu bahnen.
Das halbierte Kreuz - die zwei Wirklichkeiten des Menschen - und Element 3 ! - Auch zu Dir fliege ich MANRESA

Fakta

PDF
Manuskript

Tysk

Manuskriptet er ikke en original tekst, men snarere en "sagsmappe" om Manresa (Galerie Schmela, Düsseldorf, d. 15. december 1966). Pga. diversiteten af teksterne er hér holdt fast i aktionens opførelsesdato.

Manuskriptet er en slags "sagsmappe" om Manresa, der består af fire tekster af HC selv: "Joseph Beuys - und sein Energiplan" (1966), "Manresa" (1967), "Die Zeit (Braunram-Gegenraum)" (1991) og "Die Wirklichkeit mal 3" (1968)

HC arkiv Møn/HC breve 9