Henning Christiansen
1969-05-08
Sender
Johannes Stüttgen
Recipient
Eduard Trier
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Transcription
Johannes Stüttgen (im ASTA der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf)
Offener Brief an Professor Trier, Direktor der StKD. 8.5.69
Sehr geehrter Herr Professor Trier!
Ihren Studenten gegenüber hielten Sie esn icht für nötig, sich zu stellen; nachdem Sie schliesslich in einer Zeitung zu einer Erklärung sich bemüssigt fühlten, scheinen die Grüinde Ihrer Abkapselugn offenbar: nur Papier ist geduldig für solche unglaublichen Verdrehungen. Sie glabuten, sich aus der Affäre ziehen zu können, indem Sie Ihre Verantwortung auf Ihren Dienstherrn zurückwerfen. Sie hätten besser daran getan – und wären v e r p f l i c h t e t gewesten -, der Beurteilung a l l e r derere, die der Akademie ihr Leben geben,d urch eine Konferenz Recht zu verschaffen, anstatt einseitig eine A u s s p e r r u n g verhängen zu lassen und in die Ministerialdiktatur überzugehen. Sie zeigen damit, dass Sie Ihre Aufgabe nich mehr erfüllen.
So löst eine Unverbindlichkeit die andere ab. Sie ppchen in der Penetranz von Knechten auf ein Haus h e r r e n – recht ohne Bewusstsein Ihrer Hausherren p f l i c h t. Sie bescheinigen anderen Unfähigkeit, vielleicht um Ihre eigene zu verdrängen, geben verfälschte Informationen ab, und alles dies zu Ihrer fragwürdigen Rechtfertigung.
Eine durch Sie irregeleitete Oeffentlichkeit hat nunmehr das Anrecht auf Klarheit.
1.
Ihre Behauptung, Professor Beuys vermöge nicht, in seiner Klasse Ordnung zu schaffen, grenzt angesichts jener durch Sie und einige Hintermänner initiierten Unordnung der gesamten Akademie an Lächerlichkeit. Beuys ist der Lehrer, der den Studenten zur Verfügung steht. Er ist der Lehrer, der ihre Interessen, in der Akademie f r e i zu a r b e i t e n, vertritt ohne Rüchsicht auf seine persönlichen, ohnehin gefährdeten Interessen. Wenn Sie freilich willkürlich Beuys’ Lehrfreiheit beschneiden, ihnen das Recht auf freie Ausübung seiner Arbeit zumindest innerhalb seiner Klasse abschlagen, dürfen Sie sich über daraus resultierende Unruhe nicht wundern. Wunder müssten Sie sich über schadenfroh grinsende Gesichter folgsamer Kollegen während jenes beschämenden Polizeieinsatzes, der diesen und Ihnen selbst einen bezahlten Sonderurlaub auf Kosten der S t u d e n t e n und einiger L e h r e r ermöglichte, auf dem Sie alle nunmehr legalisert sich weiter ausschlafen können.
2.
Dass alle Aktionen von studentischen und nichtstudentischen Freunden Immendorffs als Provokationen zu verstehen seien, und darauf absielten, die Akademie zu vernichten, können Sie nur aus purer Böswilligkeit behaupten, es sei denn, es wäre nichts anderes als das Zeichen Ihrer Unfähigkeit, hinzugucken. Wer blindlings durchs Gelände hastet, dem fehlt selbsverständlich jene, für künstlerische Arbeit gebotene Konzentration und Uebersicht.
-1-
[s. 2]
und er muss, sollte ihm die verstaubte, konventionelle Enge einer ein für allemal staatlich definierten Kusntauffassung der letzte Schutz sein, _jede Erweiterung und Oeffnung der Akademie _als V e r n i c h t u n g v e r s t e h e n.
Es ist bezeichnend, dass I h r Beitrag zu den vielen gesprächen und Auseinandersetzungen der Studenten um neue künstlerische Betätigungsmöglichkeiten a u s s t e h t. Wo beispeilsweise bleibt Ihr wissenschaftlicher Arbeitsbeitrag, wenn Sie doch schon Fehler in unserer Arbeit entdeckt zu haben glauben?
Wunderliche Lehrer, die Fehler ihrer Schüler mit der Schliessung ihrer Schule beantworten, wunderliche Kusnthistoriker, denen ihre wissenschaftliche Verpflichtungen ein Pfifferling wert sind, sobald es um mehr als theoretische, nämlich substanzielle Konsequenzen geht.
Sie haben über Ihrer dem Ministerium verpflichteten Verantwortlichkeit Ihre eigentliche Verantwortung gegenüber den Studenten und Ihrer wissenschaftlichen Sache, die die K u n s t ist, verschludern lassen: eine wackelndes Direktorenpöstchen is sicherlich das allergeringste Uebel. W o s i n d S i e, um Rede und Antwort zu stehen? Beuys jedenfalls ist dort, wo er gebraucht wird: in der Akademie, die ja jetzt ausserhalb der von Ihnen verwalteten Räume ist.
Machen Sie sich keine Sorgen, in diesen Räumen geschieht nun nichts mehr, wovon ie Angst zu haben brauchen – ausser Ihrer eigenen Isolation.
3.
Prof. Beuys also ist ihrer Meinung nach nicht mehr Herr über seinen vielen Schüler. Es wird offenbar, worauf alles hinauslaufen soll: endlich ein Grund, den Stärenfried zu entfernen. Nur grandioser Z y n i s m u s und opportunistische Anfälligkeit [streget ud: und] für gelinde Schwindeleinen kann solch ein Urteil überhaupt noch erklären. Dass Buys nach allem, was ihm in den letzten Monaten an Ungeheurlichkeiten untergebuttert wurde, in unverminderter Kraft weiterarbeitet und für jene fruchtbare Uhruhe sorgt, die viele Studenten bei anderen “Lehrern” fermissen, mag Sie in Sprchlosigkeit versetzen. Und Ihre Befriedigung über die Haltung Ihrer anderen Kollegen und jener Studenten, die Ihr Vorgehen billigen und begrüssen, bezeichnet jenes uralte Armutszeugnis, das sich der Unselbsständige seit jeher auszustellen pflegt, wenn er trotzdem Beifall erhält. Die Inzucht, die in der Akademie von einigen Leuten betrieben wird, könnte im Ausstoss noch vornhandener Gesundheitskeime gipfeln: sollten Sie es mit Hilfe falsch informierter und fachlich nicht zustehender Kreise erreicchen, dass Beuys tatsächlich gehen muss, dann hätten sie die Arbeitswoche der LIDLakademie benutzt, den im Hause noch immer unausgetragenen Streit um Beuys auf dessen Kosten einseitig zu lösen.
Der Oeffentlichkeit gegenüber hat eine Kunstakademie nicht so sehr, wie sie vorzugeben versuchen, die Verpflichtung, “für R u h e und O r d n u n g zu sorgen”, sondern jene, endlich neue, zunächst ungewohnte I d e e n und I m p u l s e zu geben, die alle Menschen vor Wiederholung solcher Fehlleistungen wie z.B. der Ihrigen schützen können. Kunstakademie und Kaffekränzchen sind zweierlei. Sie berufen sich auf ein Hausrecht, das Ihnen nicht von der Sache her, sondern einer dafür nicht zuständigen Instanz zugesprochen wird. Wenn überhaupt jemand dieses Hausrecht haben kann, dann sind es die Studenten und Lehrer, die zur Zeit draussen sind.