Henning Christiansen
1967-08-00
Author/Key figure
Henning Christiansen
Document content
Awaiting summary
Transcription
1
_Joseph Beuys - und sein Energiplan _
“unser Leben zwischen Geburt und Tod ruft auf zur Erforschung von Gegenraum-Wärme-Zeit — unsterblicher Wesenskern des Menschen, Leben nach dem Tod. Von der Einsicht in diesen Zusammenhang (Antikunst) hängt es ab, ob wir zuverlässige Kontrollmöglichkeiten und Massstäbe bekommen über das, was wir in Raum und Zeit machen.”
Opus 16: Ursache suchen!
Zitat und Opus 16 nehmen eine Zentralstellung für das Verständnis von Beuys’ Tätigkeit ein. Übrigens gibt er sich Mühe, philosophische Begriffe zu umgehen. Das Was, nicht das Wie ist entscheindend. Er meint, dass nur eine Antihaltung, ein Antigedankengang von Bedeutung ist. Für ihn ist der Mensch Antinatur. Und deshalb hat gerade der Mensch die Möglichkeit, über die bloss sinnliche Wahrnehmung hinauszureichen d.h., durchzubrechen zu dem, was er “GEGENRAUM” nennt – den Zustand, in dem man begreift ohne zu verstehen. Die “ENERGIE” ist seiner Auffassung nach das Kostbarste von allem und deshalb ist das neue Princip, alles zu infiltrieren. Physik -> Antiphysik, Chemi -> Antichemi, Musik -> Antimusik, Mathematik -> Antimatik usw, um sich über den Raum des Verstandes zu erheben.
Beuys jagt ständig nach ”der Stelle” auf, in oder neben dem menschlichen Körper, wo dieser ”Supergenerator”, der ”Zeit - Überzeit”, “Raum - Gegenraum” hervorbringt.
“irgendwo muss er doch sein......?”
Die Energie, mit der man dem "GEGENRAUM" begegnet, hat Beuys in den zwei folgenden Bühnenstücken einzukreisen versucht:
[s. 2]
2
Das könnte nach einem Triumph des Absurden aussehen, aber Beuys geht weiter indem er sich über den Physiker lustig macht: “Wirklich ist für den Physiker nur das, was gemessen werden kann!”. Hirschführergebrüll von rechts: Wie lange wollen Sie noch beim ersten Schritt bleiben?” Und als Bildhauer stellt er eine Wirklichkeit auf, die der Mensch durch seine Antinatur erfassen kann.
Währen der Mai-Ausstellung 1964 auf Charlottenburg (Kopenhagen) zeigte Beuys, wie ein Spazierstock durch Transformation zu "GEGENRAUM" ein Erlebnis wurde. Er verlängerte mit einem geformten Margarineklatsch den Handgriff des Stockes um ca. 50 cm. Ein Raum auf Charlottenburg wurde ebenso total dadurch verändert, dass Beuys eine Ecke des Saales mit gelber Margarine ausfüllte. Diese Handlung sprengte förmlich den Raum. Später hat er die entgegengesetzte Operation vorgenommen, als er eine vorstehende mit dickem grauen Filz ausbaute und so die Ecke gleichsam stoppte. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem “positiven” und “negativen” Prozess.
Beuys trägt immer eine Anglerweste und einen Filzhut. Nicht aus exhibitionistischer Neigung, sondern um ständig, wo er geht und steht, Objekt für _Antinatur, Supergenerator Gegenraum _zu sein.
Auf eine Fräge, wie er zu dem Begriff “Verfremdung2 stehe, antwortete er, dass ihn dieser überhaupt nicht interessiere, er sei zu schwerfällig und beruhe auf einem Missverständnis des Lebens.
Einige haben die Auffassung dass Beuys ein Mystiker ist, ein Künstler der im Metaphysischen Raum arbeitet, aber letztlich dreht es sich für ihn darum, Klarheit zu schaffen über die Phänomene “Antinatur” – “Energie” – “Gegenraum" – “Wärme” – “Zeit”. Es handelt sich nicht um Illusionen. Seine Philosophie ist zwar Pseudophilosophie. Aber sie ist qualifiziert.
Beuys Verhältnis zur Zeit drückt sich in seinen meist langer Aktionen aus. Auf der Mai-Ausstellung 64 lag er 6 Stunden lang im Ausstellungsraum, sorgfältig eingerollt in eine graue Filzdecke. Ebenso sorgfältig hatte er zwei tote Hasen in der Verlängerungsbahn seines Körpers placiert. Einen in der Verlängerung des Kopfes und einen in der Verlängerung der Beine. Bei sich, hinter der Filzdecke, hatte er ein Mikrophon. Und
[s. 3]
3
aus einem Lautsprecher konnte man regelmässig Kehllaute (gutturale Laute ) von ihm hören. Auf der Wand hing ein kleines Bild mit etwas Taschenwolleähnlichem darauf. Diese ganze graue Skulptur (Beuys hat eine Vorliebe für Grau, Mennig und Gelb) war ein Ausdruck für Beuys’ Auffassung von Leben und Tod. Was sie trennt ist “Wärme”, Körperwärme, die nur er ausstrahlte.
Beuys braucht sehr oft während seinen Demonstrationen seinen Körper als Skulptur. Er tritt phantastisch
konzentriert und mit enormer Körperbeherschung auf. In dem Buch “24 Stunden” ( Verlag: Hansen & Hansen, Itzehoe ) kann man mit wenig Phantasie die Präzision beobachten, mit der Beuys mit seine Füsse zwei margarineklötze bearbeitete. Er veränderte jede 10 Sekunden die Position seiner Beine in Bezug auf die Klötze - ohne sie zu berühren. Das ist eine Idee die grosse Beherschung und Konzentration fordert, wenn es glücken soll, dieses Erlebnis fortzupflanzen.
Im Augenblick rast ein starker Streit um Professor Beuys’ Lehrstuhl an der Düsseldorfer Kunstakademie. Einflussreiche Kräfte um die Akademie und in der politischen Welt versuchen ihn zu entfernen. Der Anlass ist seine Aussage zur Presse in Aachen in Verbindung mit dem grossen simultanen Happening, das die Technische Hochschule dort am 20. Juli 1964, dem 20. Jahrestag des Attentates auf Hitler, veranstaltet hatte. Er sagte in einem Nebensatz, dass die Berliner-Mauer 5 cm höher sein sollte. So wäre sie besser proportioniert. Mit dieser Bemerkung trat er der deutschen Öffentlichkeit empfindlich auf den dicken Zeh und löste bei dem jungen Deutschland Begeisterung aus. Aber man darf nicht ungestraft ein nationales Kleinod lächerlich machen und die kommende Zeit soll zeigen ob die Reaktion es nach ihrem Belieben in der Hand hat, ob ihr wirklich glücken soll, den Professor rauszuwerfen.
Facts
PDFTysk
Manuskriptet er en tysk oversættelse af artiklen "Joseph Beuys - og hans energiplan", som udkom i Hvedekorn, årgang 40, no. 5, august 1967.
HC arkiv Møn/HC breve 9