Henning Christiansen
1964-12-1
Ophavsmand/nøgleperson
Wolf Vostell
Dokumentindhold
Anmeldelse af aktionen "Der Chef/The Chief", Galerie Block, Berlin, d. 1. december 1964.
Transskription
Ich bin ein Sender, Ich strähle aus!
Fluxus-Demonstration in der Galerie Block
Von Wolf Vostell
In ein Soiree der Galerie René Block ereignete sich eine Situation, eine Umgebung (Environment), Raum eine Demonstration oder wie man es auch immer nennen will, von Joseph Beuys.
Gleichzeitig von Bob Morris auf die Sekunde genau, echoartig (auch das Echo ist ein plastisches Princip) in New York ausgeführt. Titel: ”Der Chef-Fluxus—Gesang”. Die Aufführung begann um 16 Uhr und endete um Mitternacht.
In einem Raum der Galerie, hell erleuchtet. 5 mal 8 Meter, diagonal in der Mitte des Raumes auf der Erde eine Filzrolle, darin eingewickelt, Beuys, seit 1963 selbsternanntes Mitglied der internationalen Fluxus-Gruppe, mit der 1962 Georg Maciunas durch aie Fluxus-Festivals, neuester Ideen, diesen internationalen Bestrebungen Durchbruch verhalf. Länge der Filzrolle 2,25 Meter, 46 cm breit, an den beiden Enden der Rolle, als Verlängerung von Beuys, 2 tote Hasen. Der eine 24 cm breit, 64 cm lang, der andere 70 cm lang, 13 cm breit. An der linken Wand des Raumes, parallel zur Fussleiste, ein Fettstreifen aus deutscher Margarine, 167 cm lang, 7 cm dick.
Darüber, 165 cm von der Erde aus, ein Büschel Haare, 6 mal 7 cm dicht, und links daneben 2 Fingernägel, je 1,5 cm breit. (...wahrscheinlich beides Fetische aus der unbewältigten Vergangenheit ?)
In der linken Raumecke noch eine Fettecke, 30 mal 30 cm, ebenso rechts und links vom Türeingang. In der rechten Raumecke noch ein Fettquadrat 5 mal 5 cm. Links neben Beuys (in der Rolle) eine zweite Filzrolle um einen dicken Kupferstab gewickelt. Länge 178 cm. Rechts im Raum eine Verstärkeranlage. Das als minuziöse Registrierung aller Fakten, aus denen das Environment bestand.
In unregelmässigen Abständen sendete Beuys durch das Mikrofon aus der Rolle seine akustischen Botschaften, die überdimensional verstärkt wurden. Man hörte: atmen, aufatmen,
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röcheln, husten, seufzen, nörgeln, zischen, Pfeiftöne, einen Katalog von lettristischem Geräusch-Vokabular, Beuys: “Ein Urgeräusch, das man auch in Verbindung mit den beiden toten Hasen bringen kann.”
Von einem zweiten Tonbandgerät wurden in sehr langen unregelmässigen Abständen einige Kompositionen von Eric Andersen und Henning Ehrisriansen im scheinbaren Gegensatz zur Beuys-Akustik abgespielt.
Im nächsten Raum der Galerie (leer für einen Tag) neugierige, Neuigkeitshungrige, Kleiderschläfer, Presseleute, Familienmitglieder, Freunde, Konsternierte, Schüchterne, Überlegende, Nach-Luft-Schnappende, Nach-Erklärungen-Suchende, Sitzende, Stehende, Menschen.
Man hörte Sätze wie: “Ich bin leider nicht informiert, was soll das ?”
Oder: “Ist Herr Professor Beuys wirklich acht Stunden in der Rolle?” Oder: “Hat er denn gar keinen Hunger?” Oder: “Ist das Fluxus?” Oder: “Ist das ein Happening?” Was ist beides? (ein "Happening” ist eine Vielzahl von Geschehnissen, die man am eigenen Leib erfahren muss!)
Leute kommen und gehen. Manchmal war es ruhig und sogar andächtig wie in einem religiösen, mystischen Akt. Ritual ? Viele warteten ( auf was?), einige sahen schliesslich noch Beuys um 24 Uhr aus der Rolle klettern. Man stellte ihm direkte Fragen. Warum haben Sie die Erhöhung der Mauer um 5 cm empfohlen?
Beuys: "An der Mauer stossen zwei Menschentypen gegeneinander, die sich in verschiedenen Verhaltensweisen voneinander getrennt entwickelt haben. Das gibt es nur bei uns!” Beuys liebt
alle Menschen.
Ob Bob Morris auch in New York gerade aus der Rolle kletterte. Was wurde er gefragt ?
Für die Mehrzahl des Publikums war es eine Begegnung mit Beuys und seinen Beweggründen, mit seinen Ansichten über plastische Formen. Für den anderen Teil des Publikums war es mal wieder ein Grund sich zu treffen. Social Life ? Ob ihnen wirklich der tragische “Fluxus-Gesang” von Beuys Rätsel aufgab ? Manchmal schien es so, dann wieder Lethargie, persönlich-familiäre Unterhaltungen über tägliche Probleme. Dann stellenweise Andacht und Bewunderung für das Arrangement.
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Eine Totenfeier? Auch ein Aspekt. Beuys nennt seine Arbeit eine Demonstration eines plastisches Prinzips. Wenigen Leuten war bewusst geworden, dass er die neben sich liegende Filzrolle mit dem Kupferstab, durch andere Mittel, nämlich durch sich selbst und die beiden Hasen übersätzte. Es erinnerte mich an einen Afrikaner, der bei Reunion in seiner Sekte viele Stunden Lokomotive spielte. Heisst das, die Lokomotive, als Ereignis, als Skulptur durch sich selbst ersetzten? Spielte Beuys mit beiden Hasen, den Kupferstab? Beuys als Skulptur? Die ganze Umgebung als Skulptur? Sich selbst zum Ereignis werden lassen? Plastik sein und
leben?
“Die Last das lch wird leichter, wenn ich über mich selber lache.” (Tagore.)
Beuys: “Ich bin ein Sender, ich strahle aus.” Eine kultische Handlung?
Was dachte in Wirklichkeit Beuys, als er in der Rolle lag ? Was dachte das Publikum in Berlin? Was dachte Bob Morris in New York, was das Publikum dort? Was dachten die toten Hasen hier und drüben, können tote Hasen eigentlich denken? Was dachten die Fettecken, können Fettskulpturen eigentlich denken? Uns zu Reflektionen bringen? Ja! Wird das Image haften bleiben?
Das sind alles Fragstellungen und Rätsel, die uns Beuys aufgibt. Die Unbestimmbarkeit sie zu dechiffrieren ist gross, das ist wiederum gut. In jedem Fall war der Abend ein Weg mehr zum philosophischen Theater.
Fakta
PDFTysk
Dokumentet er en transskription af en avisartikel af Wolf Vostell om aktionen "The Chief/Der Chef" på Galerie Block i Berlin, d. 1. december 1964. Da det ikke vides, hvornår transskriptionen blev skrevet, er datoen for selve begivenheden bibeholdt.
HC arkiv Møn/HC breve 9